Einblicke
Wildpflanzen sammeln in Zürich: Vom Steckenpferd zur Citizen Science
Stefan Ungricht
Früher hatte man ein Steckenpferd, heute nimmt man an einem Crowdsourcing-Projekt teil. Früher war man Amateur, heute ist man Citizen Scientist. Gerade in der «Scientia Amabilis» – der Botanik – gab es schon immer viele Liebhaber, die sich über Jahre hinweg einen enormen Wissensfundus aneigneten und oft auch selbst Pflanzenbelege sammelten, sei es zu einer speziellen Gruppe oder in einem ausgesuchten Gebiet.
Bereits zu Lebzeiten oder sonst nach dem Ableben der Sammler fanden viele dieser Privatherbarien von getrockneten und gepressten Pflanzen ihren Weg an ein universitäres Forschungsinstitut. Bernhard Weber hat nun exemplarisch über die Sammler, deren Belege in der Sammlung der Hochschulen in Zürich am Botanischen Garten an der Zollikerstrasse liegen, ein Verzeichnis mit rund 2’500 Kurzbiographien zusammengestellt und auf einer Webseite der Universität öffentlich zugänglich gemacht. Drei Fragen an einen Mann im Un-Ruhestand.
Herr Weber, wie kommt ein pensionierter Elektroingenieur dazu Kurzbiographien von Botanikern zu verfassen?
Obwohl ich als Schüler sehr an Botanik interessiert war, viele Exkursionen mitmachte und selbst auch ein eigenes Herbar anlegte, hatte ich dann während wohl etwa 40 Jahren tatsächlich kein Pflanzenbuch mehr aufgeschlagen. Da wollte es aber der Zufall, dass ich am 7. Februar 2004 einen Vortrag der beiden Sammlungskuratoren Matthias Baltisberger und Reto Nyffeler über «Das Herbarium der ETH und der Universität Zürich im digitalen Zeitalter» besuchte. Seitdem bin ich dort ein treuer Gast und habe über die Jahre hinweg nun eine eigene Sammlung – nicht von Pflanzen, sondern eben von Biographien – angelegt.
Inzwischen haben Sie ja schon weit über 2’000 Einträge verfasst. Ist ein Ende in Sicht? Haben Sie nicht langsam genug?
Oh nein! Vorderhand gibt es noch viele Ergänzungen und Verbesserungen in meiner Datenbank vorzunehmen. Und ich habe auch bereits ein Verzeichnis der leider oft etwas vernachlässigten Moossammler und -sammlerinnen zusammengestellt. Ausserdem beteilige ich mich aktiv am FloZ-Projekt, wo gegenwärtig unter der Federführung der Zürcherischen Botanischen Gesellschaft eine neue Flora des Kantons Zürich erarbeitet wird.
Worin liegt denn eigentlich genau der praktische Nutzen von solchen historischen Angaben?
Natürlich findet man über viele Personen zunehmend auch mit einer einfachen Suchmaschinenabfrage viele Details im Internet. Die Krux liegt aber in der Vollständigkeit und Zuverlässigkeit der Informationen. Und die eigentlichen Belege der Sammler werden zum Beispiel zur Zeit in der historischen Aufarbeitung der Florenentwicklung im Kanton Zürich innerhalb des bereits erwähnten Projektes FloZ verwendet. Ich bin schon jetzt gespannt, zu sehen, welche Veränderungen über die letzten fast 200 Jahre sich anhand dieser Informationen dokumentieren lassen. Der Lebensraumwandel und die Klimaänderung werden auch an unseren einheimischen Wildpflanzen nicht spurlos vorbeigegangen sein.
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